Roscoff, die charmante Hafenstadt im äußersten Nordwesten der Bretagne, ist bekannt für ihre bewegte Geschichte, ihre Granithäuser und ihre enge Verbindung zur See. Der Ort gilt als Wiege der „Johnnies“, jener bretonischen Händler, die einst Zwiebeln nach England verkauften, und ist heute Ausgangspunkt für Fährverbindungen, Ausflüge zur Île de Batz und für Besucher, die das authentische Finistère erleben möchten.
Von Trélévern nach Carantec
Schon lange hatte ich mich auf diesen Ausflug gefreut – endlich Roscoff kennenlernen! Obwohl der Himmel grau und voller Regenwolken ist, fahren wir los. Die Strecke führt uns von Trélévern über Lannion, entlang der weiten Bucht von Saint-Michel-en-Grève, weiter über Morlaix bis nach Carantec. Das ist unser erstes Ziel. Wir möchten die Ebbe ausnutzen, um die Gezeiteninsel Île Callot zu besuchen.
Die Fahrt dauert länger als gedacht, rund eineinhalb Stunden, und das Wasser läuft schon langsam wieder auf. Nachdem wir das Auto geparkt haben, machen wir uns auf den Weg. Eine lange Straße, die nun freiliegt, war noch vor Kurzem Meeresboden. Überall glitzern kleine Tümpel mit Krabben und winzigen Fischen – faszinierend! Algen säumen den Weg, und erste Wanderer kommen uns bereits entgegen. Wir beeilen uns, denn mit der Flut ist der Weg zur Insel bald wieder verschwunden.
Die Île Callot – eine Insel zwischen Ebbe und Flut
Die Île Callot liegt vor Carantec und ist nur bei Niedrigwasser über eine schmale Dammstraße erreichbar. Auf der Insel selbst herrscht eine friedliche Atmosphäre. Kleine Buchten, Felsen, vereinzelte Häuser und eine Kapelle prägen das Bild. Bei klarer Sicht reicht der Blick weit über die Bucht von Morlaix. Die Natur ist rau, typisch bretonisch – und das ständige Kommen und Gehen des Meeres bestimmt hier den Rhythmus.





Als das Wasser langsam zurückkehrt, machen auch wir uns wieder auf den Rückweg. Vorbei an trocken liegenden Fischerbooten erreichen wir das Festland, das mit jeder Minute mehr vom Meer umspült wird.

Über Saint-Pol-de-Léon nach Roscoff
Die Fahrt führt weiter über Saint-Pol-de-Léon, dessen Kathedrale weithin sichtbar ist. Kurz vor Roscoff kommen wir an einem Kreisverkehr vorbei, der mit bunten kleinen Badehäuschen geschmückt ist – ein hübsches Detail am Straßenrand. Zum ersten Mal sehe ich Artischockenfelder, dicht an dicht gepflanzt. Der Gemüseanbau hat in dieser Region Tradition: Das milde Klima und die fruchtbaren Böden rund um Roscoff sind ideal für den Anbau von Artischocken, Blumenkohl und Zwiebeln. Besonders bekannt ist die „Oignon de Roscoff“, eine süßlich-milde Zwiebel, die seit Jahrhunderten hier kultiviert wird.
Ein lebendiges Roscoff am Sonntag
Weil wir dachten, sonntags sei weniger los, haben wir uns bewusst diesen Tag ausgesucht. Doch weit gefehlt – der große Parkplatz nahe der Altstadt ist komplett überfüllt. Viele Franzosen nutzen den Tag für einen Ausflug ans Meer. Nach einiger Suche finden wir schließlich in einer kleinen Seitenstraße einen Platz.


Wir beginnen unseren Rundgang durch Roscoff. Enge Gassen mit grauen Granithäusern, kleine Boutiquen und Crêperien prägen das Bild. Die Kirche Notre-Dame-de-Croaz-Batz mit ihrem markanten Glockenturm ist eines der Wahrzeichen der Stadt und zeugt vom Reichtum der einstigen Reeder und Händler. Am Hafenbecken liegt die Estacade de Roscoff, ein langer Steg, von dem aus Boote zur Île de Batz ablegen. Von hier starten auch kleine Fischereiausflüge und Rundfahrten entlang der Küste. Der eigentliche Fährhafen für die Verbindung nach England befindet sich etwas außerhalb, in Bloscon – ein moderner Anlegeplatz für größere Schiffe.








Der Jardin Exotique und der Blick auf das Meer
Etwas außerhalb der Stadt liegt der Jardin Exotique de Roscoff, ein botanischer Garten mit Pflanzen aus aller Welt. Dank des milden Golfstromklimas gedeihen hier Palmen, Sukkulenten und seltene Arten, die man in dieser nördlichen Region kaum erwarten würde. Von den Aussichtspunkten bietet sich ein beeindruckender Blick über die Küste und die vorgelagerten Inseln – ein lohnendes Ziel für jeden Besucher, der Zeit hat, länger zu bleiben.

Letzter Stopp: Plage des Amiets bei Cléder
Da unser Tag gut gefüllt ist, bleibt keine Zeit für den Garten – wir wollen noch zum Plage des Amiets bei Cléder. Ich habe zuvor viele Fotos dieses Strandes gesehen und bin gespannt, ob er in Wirklichkeit genauso schön ist. Wir fahren weiter, parken hinter hohen Dünen – und stehen plötzlich vor einer weiten, hellen Sandbucht. Der Strand ist beeindruckend: feiner, fast weißer Sand, türkisfarbenes Wasser und eine Dünenlandschaft, die ihresgleichen sucht. Einige Surfer nutzen noch den Wind, während wir einen Spaziergang entlang der Wasserkante machen. Doch bald ziehen dunkle Wolken auf, und der erste Regen setzt ein.





Heimfahrt im Regen – ein Tag voller Eindrücke
Im strömenden Regen machen wir uns auf den Rückweg. Rund 100 Kilometer liegen vor uns, und in Morlaix verlieren wir kurzzeitig die Orientierung. Schließlich erreichen wir am Abend Trélévern – müde, aber glücklich. Es war ein erlebnisreicher Tag im Finistère, mit vielen Eindrücken, Momenten zwischen Ebbe und Flut, Spuren der Geschichte – und der Freude, Roscoff endlich erlebt zu haben.
Roscoff – Kurz und knackig
Quelle: Wikimedia Commons – Lizenz: CC BY‑SA
Traditionsreicher Hafenort an der Nordküste des Finistère, bekannt für Granitbauten, Meereskultur und die historischen „Johnnies“ (Zwiebelhändler).
Geschichte: Roscoff wuchs als Fischer- und Handelsplatz; im 19. Jh. blühte der Handel mit Zwiebeln (die berühmte Oignon de Roscoff). Die Seefahrt prägte Stadtbild und Wohlstand, historisch wichtiger Übergangsknoten zu den Kanalinseln und nach England.
Sehenswürdigkeiten:
- Notre-Dame-de-Croaz-Batz – markante Stadtkirche mit charakteristischem Turm.
- Estacade – langer Steg am Hafen, Startpunkt für Bootsfahrten und Meeresbeobachtungen.
- Jardin Exotique – botanischer Exotengarten mit weitem Küstenblick.
- Île de Batz – nahegelegene Insel, leicht per Ausflugboot erreichbar.
- Fährhafen (Bloscon) – Verbindungspunkt zu weiter entfernten Zielen; maritimer Verkehr prägt die Atmosphäre.
Tipp: Spaziergänge durch die Granitgassen, Hafenblick und regionale Märkte (Gemüse, Meeresfrüchte) geben schnellen Einblick in die lokale Kultur.

